Sonntag, Gustav
geb. 16.11.1872 Grünewalde bei Schönebeck,
gest. 12.04.1953 Rogätz,
Schiffbauer, Werftbesitzer.

Der Sohn des Grünewalder Schiffswerftbesitzers Wilhelm S. absolvierte ab 1878 die Bürgerschule in Schönebeck und trat bereits 1886 in die väterliche Unternehmung ein, um dort drei Jahre lang das Schiffbauerhandwerk zu erlernen. Nach der Lehrzeit sammelte S. praktische Erfahrungen in Magdeburger, Roßlauer und Wilhelmshavener Schiffbaubetrieben, besuchte danach die Bauschule in Magdeburg, trat anschließend als Leiter in die väterliche Werft in Grünewalde ein und übernahm 1897 die Leitung der Werft von Hugo Schütze in Aken an der Elbe. Der innovative Praktiker S. entwarf und baute dort die ersten brauchbaren Lukendeck-Kähne, deren System sich gegenüber dem Schrägdeck mit längs-liegenden Deckbrettern bald durchzusetzen begann. Er erkannte zudem als einer der ersten den Vorteil eiserner Böden für die Elb- und Kanalschiffahrt und beförderte nachdrücklich die in dieser Zeit sich vollziehende Umstellung vom Holzkahn zum eisernen Schleppkahn mit größerer Tragfähigkeit. Im Mai 1905 trat S. in die Selbständigkeit ein und erwarb die 1887 gegründete Schiffswerft in Rogätz, die er bis zu seinem Tode betrieb. Er modernisierte die Anlagen und Geräte (Wagenslipanlage, Maschinenhaus, elektrischer Betrieb), erweiterte das Werftgelände 1910 durch Zukauf und entwickelte das Unternehmen zu einer der leistungsfähigsten Schiffswerften an der Elbe. In der Blütezeit des Unternehmens bis 1913 verließen insgesamt 94 neugebaute Schiffe die Werft, darunter 59 Frachtschiffe und 31 Leichter, Schuten, Elbfähren und Wohnschiffe, deren hohe Qualität dem Unternehmen zu schnellem Ansehen verhalf. Zudem führte die Belegschaft, die bis 1913 auf 150 Mitarbeiter stieg, Reparaturen an hölzernen und eisernen Schiffen durch. Während des I. Weltkrieges sank die Zahl der Neubauten von Frachtschiffen erheblich, ging in der Nachkriegzeit weiter zurück (Reparationsleistungen an Frankreich) und setzte unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen erst nach 1931 mit zahlreichen Aufträgen für das Maschinenbauamt in Magdeburg-Rothensee wieder in größerem Umfang ein. In dieser Zeit konnte S. die führende Stellung seiner Werft durch große Um- und Modernisierungsbauten an Elbkähnen und Weiterentwicklung der Schiffsformen und -maße halten. Neben Neubauten, Reparaturen und Umbauten (u. a. auch Wohnschiffe und Baukähne) liefen 1936–41 die ersten Motorschiffe vom Stapel (1936 erstes Motorschiff “Jupiter” mit Linke-Hoffmann-Dieselmotor). 1942–50 wurden infolge des kriegsbedingten Mangels an Fachkräften und Material keine Neubauten mehr ausgeführt. Aufgrund seiner fachlichen Kompetenz genoß S. in den Kreisen der Werftbesitzer, Reeder und Schiffer großes Ansehen. Er war langjähriger Vorsitzender der Meisterprüfungskommission der Magdeburger Handwerkskammer, Vorstandsmitglied des Vereins der Flußschiffswerften Deutschlands, Abteilung Elbegruppe und fungierte als Harvariekommissar von 36 in- und ausländischen Versicherungen. Nach seinem Tod wurde die Rogätzer Werft 1954 in Volkseigentum überführt und spezialisierte sich ab 1964 als Teil des VE Kombinats Binnenschiffahrt und Wasserstraßen auf die Reparatur von Schubprahmen. 1991 wurde das Unternehmen geschlossen.

Literatur: Fritz Wilke, Schiffbaumeister G. S. zum 50. Geburtstag, in: Deutsche Schiffbau-Zeitung 5, H. 8, 1922, 183f.; Magdeburger General-Anzeiger vom 18.03.1928; Werbekat. G. S. Schiffswerft Rogätz/Elbe, 1928 (*B); Willi Zähle, Aus der Geschichte der Elbschiffahrt und ihre Bedeutung für die Gemeinde Rogätz, in: Werner Schierhorn (Hg.), Kreismuseum Wolmirstedt 1927–1992, 1992, 49–57; ders., Geschichte der Gemeinde Rogätz, Ms. 1994, 297–304.

Guido Heinrich