Rosenthal, Erich Rudolf Otto
Ps.: Billy Jenkins, Erich Fischer
geb. 26.06.1885 Magdeburg,
gest. 21.01.1954 Köln,
Artist.

Der unter dem Pseudonym “Billy Jenkins” bekannt gewordene Kunstreiter, Schütze, Lassowerfer, Greifvogeldresseur und Titelheld einer Romanreihe wurde in der Magdeburger Scharnhorststraße 4 (heute: Haeckelstraße) geboren. Um seine Jugendzeit, die er vornehmlich in Berlin verbrachte, ranken sich zahlreiche Legenden von abenteuerlichen Reisen, die vermutlich ins Reich der Legende gehören und lediglich bezweckten, ihm nachträglich den Nimbus des Weltläufers zu verleihen. Sein Vater Georg R. (1865–1932) war Artist und Schausteller mit dem Künstlernamen “Süßmilch”, der durch Deutschland tingelte, bevor er sich in Berlin-Tiergarten niederließ und dort ein Varieté betrieb. Er besaß in dem Berliner Vorort Konradshöhe (Habichtstraße 8) eine Villa, in der sich das Restaurant “Süßmilch” befand. Nach der Erbschaft dieser Liegenschaft in den 1930er Jahren richtete R. dort die “Billy-Jenkins-Farm” ein, wo er Greifvögel dressierte und sein artistisches Können verfeinerte. Das in den 1920er Jahren erbaute Haus existiert noch heute. R., halbjüdischer Herkunft, nannte sich ab 1933 offiziell nach dem Mädchennamen seiner Mutter “Fischer” (Elfriede R., 1866–1935). Unter diesem Namen wurde er Mitglied der NSDAP, ohne eine besondere politische Tätigkeit zu entfalten. Allerdings ist er von antisemitischen Tendenzen nicht freizusprechen. Als “König der Cowboys”, wie er in Presseberichten, Programmheften und auf Werbeplakaten genannt wurde, trat er in zahlreichen Varieté- und Zirkusveranstaltungen, namentlich im Berliner Wintergarten, der Scala, der Plaza, im Leipziger Krystall-Palast sowie unter anderem mit den Zirkussen Sarrasani, Busch und Belli in vielen Ländern Europas und Südamerikas auf. Ein Aufenthalt in Nordamerika gilt hingegen als unwahrscheinlich. In einem Harry-Piel-Film von 1915 übernahm er die Lassoarbeit und wirkte als Stuntman in weiteren Filmen mit. Das Waffenverbot für Deutsche ab November 1918 traf den Kunstschützen hart, so daß er seiner Arbeit mit Vögeln mehr Gewicht beimaß. Seit den 1920er Jahren galt “Billy Jenkins” als der bedeutendste Greifvogeldresseur der Welt. Der Künstler legte seine Rolle auch im Alltag nicht ab. Zeitzeugen berichten, daß er gern in der Kleidung eines Glamour-Cowboys auftrat, schwadronierte und Tricks vorführte. Als Vorbilder galten ihm der Showman und Büffeljäger Buffalo Bill alias William Frederik Cody (1846–1917) sowie Hans Stosch Sarrasani (1872–1934), Gründer des gleichnamigen Wanderzirkus. Von tragischer Bedeutung war ein Brandunglück im Jahre 1940 in Schlesien. Der Künstler wurde infolge der Explosion eines Sonderwaggons des Zirkus Busch derart schwer verletzt, daß er nur noch unter Schmerzen mit Hilfe eines Gehstockes und eines Stahlkorsetts laufen konnte. R. wurde auch durch die “Billy- Jenkins-Romane” bekannt, die der Buch- und Zeitschriftenhandel im deutschsprachigen Raum verkaufte. Die kommerziell äußerst erfolgreichen Trivialromane, hervorgegangen aus einer Sarrasani-Heftreihe der 1920er Jahre und verfaßt “nach Berichten des Westmannes Billy Jenkins”, suggerieren dem Leser, daß der Titelheld die Abenteuer selbst erlebt habe. Beim Werner Dietsch Verlag in Leipzig erschienen von 1934 bis 1939 264 Hefte und 56 Bücher. Von 1949 bis 1963 gab der Uta-Verlag (Sinzig am Rhein, später Bad Godesberg) sowie der Pabel-Verlag 370 Hefte und 116 Bücher heraus. Ab September 1939 galten die Romane durch die Reichsschrifttumskammer als unerwünscht, da der Titelheld einen englischsprachigen Namen trug. R. hat die Romane nicht selbst geschrieben, sondern lediglich seinen Künstlernamen und Fotografien zur Verfügung gestellt. Die Romanserie hielt den Bekanntheitsgrad seines Namens aufrecht, als er bereits nicht mehr öffentlich auftrat. Nach Kriegsende wohnte R. zunächst in Hof, dann in Köln. Er lebte von einer artistischen Wildwest-Show, mit der er durch Deutschland tingelte, sowie, ab 1949, von den Tantiemen aus den Romanverkäufen. R. starb unverheiratet und ohne Nachkommen in Köln-Nippes. Sein artistengeschichtlicher Hauptverdienst bestand darin, eine für das Publikum attraktive mythische Gestalt geschaffen zu haben, welche in die Trivialliteratur Eingang fand. Zirkusmilieu, Abenteuerwelt und Groschenheft-Romantik waren seine Mittel, die Tristesse des Alltags in eine Zauberwelt zu verwandeln: “Billy Jenkins”, der mythische Westmann, und R., dem es um Geld und Ruhm ging, sind zwei Wirklichkeiten, deren Gegensatz ein toleranter Geist ertragen kann.

Literatur: Michael Zaremba, Billy Jenkins – Mensch und Legende. Ein Artistenleben, 2000 (B).

Bildquelle: *Michael Zaremba, Berlin (privat).

Michael Zaremba