Gerling, Heinz |
Der Sohn des Architekten und Baumeisters Hermann G. besuchte in seiner Geburtsstadt 1928–1932 die I. Wilhelmstädter Volksschule und ab 1933 das Wilhelm-Raabe-Realgymnasium, wo er 1941 das Abitur ablegte. Der berufliche Weg führte ihn in Magdeburg 1947 über eine Maurerlehre, die Gesellenprüfung und den Meisterbrief (1951) mit parallelem Studium an der Staatlichen Ingenieurschule für Bauwesen 1947–1949, das er als Ingenieur für Hochbau beendete, an die Brennpunkte des Wiederaufbaugeschehens.1949–53 arbeitete G. als Hochbauingenieur in der väterlichen Firma G. & Rausch KG, 1953–54 als Fachingenieur für Industrieofenbau in der Firma VULKAN in Berlin und führte in Magdeburg 1954–58 seinen eigenen Handwerksbetrieb, der 1959–72 als Industrieofen- und Feuerungsbau Magdeburg Komplementär der G. & Rausch KG wurde. Nach der Verstaatlichung war G. 1972–80 Direktor des VEB Industrieofen- und Feuerungsbau im VE Bau- und Montagekombinat Magdeburg (BMK), 1982 übernahm er die Leitung eines Produktionsbereiches im Kombinatsbetrieb Montage und Ausbau des BMK, bis er 1987 in den Ruhestand trat. Der Verlust von Kirchen in der Altstadt, der Verfall zahlreicher erhaltenswerter Bauwerke und ihre unwiederbringliche Auslöschung bewirkten bei G., sich für die steinernen Zeugen der Geschichte in Magdeburg einzusetzen. Er leistete Herausragendes für die Denkmalpflege und begeisterte viele Menschen über seine Heimatstadt hinaus für die Bewahrung des baulichen Erbes. Fast 40 Jahre seines Lebens widmete er dem theoretischen und praktischen Denkmalschutz. 1964 wurde G. Gründungsmitglied der IG Denkmalpflege beim Kulturbund der DDR, in deren Vorstand er bis 1988 tätig war. Als Vorsitzender warb er in vielfältiger Weise und gegen manche Widerstände erfolgreich für den Schutz und die Erhaltung kulturhistorisch wertvoller Bauten der Stadt Magdeburg, vermittelte Patenschaften für gefährdete Denkmäler und wirkte am Erhalt und der Sanierung gefährdeter Baudenkmäler mit, so an der Rettung und dem Wiederaufbau der Johanniskirche, den Sanierungen der Lukasklause, des Gründerzeitensembles Hegelstraße, der Reste der romanischen Stadtmauer, der Victoria-Schule oder der Gründerzeithäuser im südlichen Stadtzentrum. Er war maßgeblich beteiligt am Wiederaufbau des Klosters Unser Lieben Frauen und der Sanierung der Klosterkirche mit dem Umbau zur Konzerthalle, der Sanierung der Kirche in Pretzien, den Ausgrabungen an der Kaiserpfalz oder der Aufstellung verschiedener Denkmale, Brunnen und Skulpturen. Der Oberingenieur rettete Anfang der 1950er Jahre Gründerzeithäuser in der Wilhelmstadt, die Bombentreffer erlitten hatten, und ließ diese mit und für Angehörige seines Betriebes ausbauen. 1968–87 entwickelte er eine Denkmalkartei als Grundlage für eine fundierte Denkmalliste der Stadt, die er 1991 publizierte und in die erstmalig die Siedlungen der 1920er Jahre als denkmalgeschützte Ensembles aufgenommen wurden. 1969 leitete er den Bau der Hyparschale, die mit ihrer freitragenden, stützenlosen Betonschalenkonstruktion als ein Beispiel für besondere Ingenieurbaukunst galt. 1978 erfolgte die Berufung zum ehrenamtlichen Beauftragten für Denkmalpflege der Stadt Magdeburg. In diesem Amt wirkte er bis an sein Lebensende mit Fachvorträgen, Stadt- und Objektführungen, denkmalpflegerischen Zielstellungen, Fotodokumentationen, Pressebeiträgen oder der baulichen Unterstützung durch die jeweiligen Betriebe, die er leitete. 1970 wurde er als parteiloser Abgeordneter des Kulturbundes in die Stadtverordnetenversammlung gewählt und trat dort 15 Jahre für die Belange des Denkmalschutzes ein. Im gleichen Jahr begann seine Initiative für den Ausbau von Schaubergwerken, insbesondere “Büchenberg” bei Elbingerode/Harz. G. war Mitinitiator der Sanierungsbemühungen “Wohnen im Denkmal” von Wohnungsgenossenschaften und Privatinvestoren nach 1990 und arbeitete 1989–91 am Konzept zur “Straße der Romanik”. Mit Fachkompetenz und Vehemenz verteidigte er seine Ansichten als ehrenamtliches Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Kulturhistorische Bauten der Stadt Magdeburg, 1990–99 als Geschäftsführer der Magdeburgischen Gesellschaft von 1990 e.V. zur Förderung der Künste, Wissenschaften und Gewerbe und in den 1990er Jahren als Mitglied der Dombaukommission, des Kuratoriums für den Wiederaufbau der Johanniskirche, im Baukunstbeirat der Landeshauptstadt Magdeburg, im Forum Innenstadtentwicklung, im Kuratorium “1200 Jahre Magdeburg” sowie im Förderverein Bundesgartenschau Magdeburg 1999. G. realisierte die Installierung des Glockenspiels im Magdeburger Rathaus (1974) sowie der Glocken in der Klosterkirche St. Marien im Kloster Unser Lieben Frauen. Der Leiter des Arbeitskreises Glockenspiel der DDR, Gründer der Magdeburger IG “Glockenspiel” und Vorstandsmitglied der Deutschen Glockenspielvereinigung e.V. in Hannover galt als Initiator der jährlichen Weihnachtskonzerte der Magdeburgischen Gesellschaft in der Telemann-Konzerthalle. 1995 erhielt G. die “Silberne Halbkugel”, den Deutschen Preis für Denkmalschutz, 1997 ernannte der Stadtrat ihn zum ersten und bisher einzigen Ehrenbürger Magdeburgs seit den politischen Veränderungen 1990.
Werke: Denkmale der Stadt Magdeburg, 1991; Möglichkeiten und Probleme der Nutzung von Bergwerksanlagen als Besuchereinrichtungen, in: Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 4, 1992; Gartenstadtsiedlung Westernplan, 1995; Die Rats- und Pfarrkirche St. Johannis zu Magdeburg anläßlich ihres fünften Wiederaufbaus, 1999.
Literatur: Lebenslauf, Begründung zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft an H. G., in: Stadtratsbeschluß vom 11.09.1997; Nachruf, in: Volksstimme Magdeburg vom 23.05.2001.
Bildquelle: *Familie G., Magdeburg (privat).
Heike Kriewald