Niebelschütz, Wolf
Friedrich Magnus von |
N. verlebte seine Kindheit in Magdeburg, besuchte 1927–1932 das Gymnasium in Schulpforta und studierte kurzzeitig Geschichte und Kunstgeschichte in Wien und München. Danach trat er als Volontär in die Feuilletonredaktion der Magdeburgischen Zeitung ein, wo sein Vater Ernst v. N. nach seiner Pensionierung vom preußischen Offiziersdienst seit 1918 als Kunstkritiker und Redakteur tätig war. 1933 wurde N. bei der Magdeburgischen Zeitung und dem General-Anzeiger, beide herausgegeben vom Magdeburger Faber-Verlag, fest angestellt und konnte sich hauptsächlich als Kunstkritiker etablieren. 1937 wurde ihm aufgrund “politischer Unzuverlässigkeit” gekündigt. Ab 1938 arbeitete er vorwiegend für die Rheinisch-Westfälische Zeitung in Essen. Trotz der Trennung von Magdeburg übte die Stadt erkennbaren Einfluß auf seine Arbeiten aus. So widmete ihr N. 1942 das Gedicht “Parthenopolis” und wählte sie als Handlungsort für seine Erzählung “Barbadoro” (geschrieben 1952; veröffentlicht aus dem Nachlaß 1982). Die Erzählung thematisiert den politischen Ost-West- Konflikt nach dem II. Weltkrieg vor dem Hintergrund der Zerstörungen Magdeburgs von 1631 und 1945. Während der journalistischen Tätigkeiten entstanden rund fünfhundert Artikel zu literarischen, historischen und kunstgeschichtlichen Themen. 1939 erschien N.’ erster Gedichtband “Preis der Gnaden”, 1940 die in der mittelalterlichen Eifel spielende Erzählung “Verschneite Tiefen”. Während des II. Weltkrieges war N. als “politischer Schriftleiter” für die Wehrmacht in Frankreich tätig und erhielt während dieser Zeit zwei Literaturpreise. 1949 (revidierte Fassung 1961) erschien im Suhrkamp-Verlag der Roman “Der blaue Kammerherr”, ein Werk, das N. bleibende literarische Bedeutung sichert. Ein Fragment Hofmannsthals aufgreifend, verlegt der Text das mythologische Geschehen um Zeus und Danae auf eine Mittelmeerinsel im 18. Jahrhundert und entwickelt in galanter Kostümierung einen utopischen Gegenentwurf zum Zeitgeschehen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In den 1950er Jahren entstand neben einigen dramatischen Werken und dem Lebensunterhalt dienenden Auftragsarbeiten für die Industrie als zweites bedeutendes Werk der Mittelalterroman “Die Kinder der Finsternis” (1959). Sein in der Bundesrepublik mit mehreren Preisen ausgezeichnetes Werk steht quer zu den literarischen Trends im Nachkriegsdeutschland und gewinnt seit den 1980er Jahren eine zunehmende Zahl von Lesern.
Werke: s.o.
Nachlaß: DLA Marbach.
Literatur: Killy 8, 405f.; Walter Boehlich, Verklärung des Barock, in: Der Monat 8, 1955, 73–78; Detlef Haberland, “Dammi il Paradiso”. Zu dem Roman “Der blaue Kammerherr” von W. v. N., in: Hugo Reinitzer (Hg.), Textkritik und Interpretation. Fs. Karl Konrad Polheim zum 60. Geburtstag, 1985, 385–403; ders., W. v. N. zum 30. Todestag. Mit einer Bibliographie seiner Schriften, in: Philobiblon 34, 1990, 13–25; Dossier W. v. N., in: Juni. Magazin für Kultur & Politik 4, 1990, 9–52; Kurt Böttcher (Hg.), Lexikon deutschsprachiger Schriftsteller, Bd. 2: Das 20. Jahrhundert, 1993, 543; Michael Schweizer, W. v. N., das Frühwerk: die journalistischen Arbeiten 1932–1944, die Gedichte, die Erzählung “Verschneite Tiefen”, 1994; Ines Geistlinger, W. v. N. als Journalist und Schriftsteller in Magdeburg 1933–1938, Magisterarbeit Universität Magdeburg, 2000.
Bildquelle: *Maresi v. N., Erkrath (privat).
Ines Geistlinger/Bernhard Jahn
geändert: 09.06.2004