Emersleben, Otto Ernst Ludwig, Prof. Dr. phil.
geb. 17.06.1898 Magdeburg,
gest. 10.08.1975 Greifswald,
Mathematiker, Physiker, Hochschullehrer.

Nach dreijährigem Grundschulbesuch von 1904 bis 1907 war E. fünf Jahre Schüler der Reformabteilung des Domgymnasiums und von 1912 bis 1915 des Reform-Realgymnasiums in Magdeburg, das er unter Befreiung von den mündlichen Prüfungen mit dem Reifezeugnis verließ. Als Artillerist nahm er am I. Weltkrieg teil und wurde im Januar 1919 als Reserveleutnant entlassen. In Göttingen studierte E. Mathematik, Physik und Chemie. Auf Grund der bahnbrechenden Entdeckung des Zusammenhangs von Kristallgitterpotentialen und Zetafunktionen wurde er 1922 von der Universität Göttingen zum Dr. phil. promoviert. Bereits ab 1921 arbeitete er bei einem Bauingenieur in Köln, verließ aber 1923 diese Stadt, um in der Industrie auf dem Gebiet der drahtlosen Telegraphie zu arbeiten (1923–25 in Berlin, 1925–27 in Kiel, ab 1927 wieder in Berlin). 1933 wurde er aus politischen Gründen fristlos entlassen, der Betrieb einer Versuchsfunkanlage und eines Frequenzmessers wurde ihm verboten, und er erhielt Publikationsverbot. Ab 1935 arbeitete E. als Patentanwalt bis zu seiner Einberufung zum Kriegsdienst 1940. Als Hauptmann der Reserve war er von 1944 bis 1947 in griechischer und englischer Kriegsgefangenschaft. Von 1948 an übte E. Tätigkeiten als Hauptreferent der Deutschen Zentralverwaltung der Industrie für die Sowjetische Besatzungszone bzw. der Deutschen Wirtschaftskommission in der Sowjetischen Besatzungszone aus, um ab 1950 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Angewandte Mathematik und Mechanik der Deutschen Akademie der Wissenschaft zu arbeiten. Er habilitierte sich 1950 an der Technischen Universität Berlin-Charlottenburg, war dort als Privatdozent tätig und wurde 1953 als Professor für Angewandte Mathematik und Direktor des gleichnamigen Instituts an die Universität Greifswald berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung 1963 wirkte. E. publizierte 67 Arbeiten, davon sieben populärwissenschaftliche Artikel. Er beschäftigte sich u. a. mit Problemen der Elektrostatik in Kristallgittern, den Schwingungen in Kondensatorkreisen, der Festigkeitslehre, der Strömungslehre, der drahtlosen Nachrichtentechnik, der Epsteinschen und Riemannschen Zetafunktionen und der Madelung-Konstanten, er konzipierte ein Meßinstrument für Gleich- und Wechselstrom im Selbstbau und beschäftigte sich mit Anwendungen der Mathematik in der makromolekularen Chemie der Faserstoffe.

Werke: Freie Schwingungen in Kondensatorkreisen, 1921; Gitterpotentiale und Zetafunktionen, Diss. 1922; Tabellen mathematischer Funktionen, 1961.

Nachlaß: Universitätsarchiv Greifswald.

Literatur: Johann C. Poggendorff, Biographisch-literarisches Handwörterbuch, Bd. 6/1, 1936; Wer ist wer 12, 1955. 

Archivalien: Universitätsarchiv Greifswald: PA.

Bildquelle: ebd.

Karl Manteuffel