Grade, Hans |
G. wurde als Sohn eines Lehrers geboren. Bereits als Schüler galt seine Neigung der Technik. Sein besonderes Interesse für das Fliegen weckten die Flugversuche und die Schriften Otto Lilienthals, die er als Fünfzehnjähriger las. Er war auch handwerklich geschickt und baute als Gymnasiast Flugmodelle und, angeregt durch den Besuch einer Gewerbeausstellung, sogar ein Motorrad. Folgerichtig nahm er nach dem Abitur und einer Volontärstätigkeit in einer Maschinenfabrik im Jahr 1900 ein Ingenieurstudium an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg auf. Frühzeitig fesselte ihn die Idee des Motor- fluges. Bereits während des Studiums entwarf er kleinere Motoren für den Einbau in Flugzeuge. 1903 übernahm G. in Köslin eine Motorenwerkstatt, die er aber 1905 wieder verließ, um im gleichen Jahr in Magdeburg die Grade-Motoren-Werke GmbH zu gründen. Hier stellte er nicht nur Zweitakt-Motoren für verschiedene Zwecke her, sondern baute auch von ihm entwickelte Kleinmotorräder in Serie. 1907 leistete G. seinen Militärdienst als Einjährig-Freiwilliger in einem Magdeburger Pionierbataillon ab. In dieser Zeit konstruierte und baute er sein erstes Flugzeug, einen Dreidecker von acht Meter Flügelspannweite, ausgerüstet mit einem 36-PS-Sechszylinder-Zweitaktmotor. Bald konnten die ersten Flugversuche auf dem Cracauer Anger bei Magdeburg aufgenommen werden. Am 28. Oktober 1908 schlug die Geburtsstunde des Motorflugs in Deutschland An diesem Tag gelang G. der erste richtige Flug, bei dem er acht Meter Höhe und etwa 100 Meter Weite erreichte, allerdings mit einer Bruchlandung endete. Insgesamt konnte G. auf dem Cracauer Anger mit seinem Dreidecker etwa 70 Flüge ausführen, die aber nicht alle zu seiner vollen Zufriedenheit ausfielen. Die negativen Erfahrungen mit dem Dreidecker veranlaßten G., einen Eindecker zu entwerfen und zu bauen, dessen Flügelspannweite etwas über zehn Meter betrug und der mit einem 24 PS-Vierzylinder-Zweitaktmoter ausgerüstet war. 1909 verließ G. Magdeburg und zog mit seinem Eindecker “Libelle” und dem gesamten Flugbetrieb nach Bork (jetzt Borkheide), wo er einen neuen Flugplatz einrichtete. Nach erfolgreichen Flugversuchen bewarb sich G. um den vom Mannheimer Industriellen Karl Lanz gestifteten, mit 40.000 Mark dotierten “Lanz-Preis der Lüfte”. Am 30. Oktober 1909 fand auf dem Flugplatz von Johannisthal der Prüfungsflug statt. G. gewann den Preis und war nun ein weithin bekannter Flieger, dessen Schauflüge in verschiedenen deutschen Städten viele Zuschauer anlockten. In Bork errichtete G. 1910 eine Flugzeugfabrik und eröffnete im gleichen Jahr eine der ersten Fliegerschulen in Deutschland. Beide Gründungen entwickelten sich erfolgreich. Bis 1914 konnten über 80 Flugzeuge in 13 verschiedenen Ausführungsarten gebaut und verkauft werden. Im ersten Jahr besuchten 20 Flugschüler die Fliegerschule. Wie viele es insgesamt in der Zeit ihres Bestehens gewesen sind, ist nicht genau bekannt, genannt wird die Zahl 130. Mit Beginn des I. Weltkrieges wurde der Flugzeugbau in Bork eingestellt und die Fliegerschule geschlossen. Der Versailler Friedensvertrag verbot Deutschland den Flugzeugbau und jegliche fliegerische Betätigung. 1919 begann G. mit der Entwicklung eines Kleinautos und gründete schließlich in Bork die Grade-Automobilwerke. Sein solide gebautes einfaches Kleinauto hatte einen luftgekühlten Einzylinder-Zweitaktmotor. Bis 1924 wurden 1.000 Autos produziert, aber wegen finanzieller Schwierigkeiten mußte G. 1925 den Automobilbau aufgeben. G. hat im Fahrzeug- und im Motorenbau aber auch auf anderen technischen Gebieten Bemerkenswertes geleistet und war Inhaber zahlreicher Patente. Bleibendes Verdienst erwarb er sich als Flugpionier um die Entwicklung des Motorflugs in Deutschland
Werke: H.-G.-Eindecker “Libelle” (Technikmuseum Magdeburg).
Literatur: NDB 6, 702; Wer ist’s 10, 1935; Rolf Italiander, Spiel und Lebensziel. Der Lebensweg des ersten deutschen Motorfliegers H. G., 1939; Manfred Günther, Flugpionier H. G. – Erinnerungen, 1990; Werner Hartmann, H. G. Ein Pionier des deutschen Motorfluges, o. J. [1991].
Bildquelle: *KHM Magdeburg.
Manfred Beckert