Schiffer, Eugen, Dr. jur. h.c. mult.
geb. 14.02.1860 Breslau,
gest. 05.09.1954 Berlin,
Jurist, Politiker, Reichsminister, Wirklicher Geheimer Rat.

Der Sohn eines Kaufmanns besuchte das Elisabeth-Gymnasium in Breslau und studierte Rechtswissenschaften in Breslau, Leipzig und Tübingen. Er trat 1888 als Amtsrichter in Zabrze/ Oberschlesien in den preußischen Justizdienst. Von 1899 bis 1906 war S. Landrichter, dann Landgerichtsrat in Magdeburg, wechselte 1906 als Kammergerichtsrat nach Berlin und wurde dort 1910 Oberverwaltungsgerichtsrat. Von 1903 bis 1924 vertrat der liberale Demokrat Magdeburg im preußischen Abgeordnetenhaus, seit 1912 war er im Reichstag in der Nationalliberalen Fraktion für den Wahlkreis Wolmirstedt- Neuhaldensleben tätig. S. wurde 1918 Staatssekretär im Reichsschatzamt, 1919 Reichsfinanzminister und im gleichen Jahr Reichsjustizminister und Vizekanzler. Er schloß sich 1918 der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an und war von 1920 bis 1924 Mitglied der Weimarer Nationalversammlung sowie des preußischen Landtages. S. hatte 1920 als Justizminister und Vizekanzler einen wesentlichen Anteil an der Zerschlagung des Kapp-Putsches. 1925 zog er sich aus der aktiven Politik zurück, arbeitete als Rechtsanwalt und -berater von Betrieben und Banken und als Mitherausgeber der Deutschen Juristenzeitung bei zahlreichen eigenen Veröffentlichungen. Während des Nationalsozialismus war er, obwohl zum evangelischer Glauben konvertiert, wegen seiner jüdischen Herkunft sowie seiner liberalen Haltung Repressalien ausgesetzt. Er überlebte in einem Berliner jüdischen Krankenhaus. S. wurde 1945 Mitbegründer und Mitglied des Parteivorstandes der LDPD in Berlin. Im hohen Alter war er 1945–48 Präsident der Deutschen Justizverwaltung der Sowjetische Besatzungszone. Nach 1945 erhob er seine Stimme gegen Rechtszersplitterung und die Teilung Deutschlands. S. erhielt die Ehrendoktorwürde der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Halle 1928 sowie der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin 1950.

Werke: Die deutsche Demokratie nach den Reichtagswahlen, 1920; Die deutsche Justiz. Grundzüge einer durchgreifenden Reform, 1928, 21949, Repr. 1995; Sturm über Deutschland, 1932; Ein Leben für den Liberalismus, 1951.

Literatur: Reichshdb 2, 1629 (*B); DBE 8, 631; Wer war wer DDR, 739f.; Friedrich Andreae (Hg.), Schlesische Lebensbilder, Bd. 5, 1968, 148–157 (B); Joachim Ramm, E. S. und die Reform der deutschen Justiz, 1987 (B); Wolfgang Benz/Hermann Graml (Hg.), Biographisches Lexikon zur Weimarer Republik, 1988, 291.

Klaus Lilie