Gütte, Wilhelm
geb. 19.02.1870 Walbeck bei Helmstedt,
gest. 15.07.1933 Zeitz
Rittergutsbesitzer, Unternehmer, Fabrikdirektor

G. besuchte die Schule seines Heimatortes Walbeck und trat nach zweieinhalbjähriger Privatschul-Vorbereitung Mitte 1885 als kaufmännischer Lehrling in die Zuckerfabrik Weferlingen ein. Bereits 1887 wurde er 2. Buchhalter und rückte 1889 in die erste Stelle auf, die er mehr als 16 Jahre innehatte. In dieser Zeit begleitete G. die Entwicklung der Zuckerfabrik und beeinflußte sie grundlegend. G. erkannte frühzeitig die Problematik der damals üblichen Dividendenpolitik zur Rübenverwertung. Sein Bestreben lag darin, eine wesentlich größere Rübenverarbeitung bei dadurch sinkenden Bearbeitungskosten zu realisieren. Als Voraussetzung dafür sah er einen hohen Rübenpreis an, der den Umfang des Rübenbaus in der Region wesentlich steigern sollte. Gegen den anfänglich massiven Widerstand des Vorstandes, des Aufsichtsrates und der Aktionäre gelang es G., sein Konzept durchzusetzen. Während seiner Tätigkeit in Weferlingen, die einen durchschlagenden kaufmännischen Erfolg des Unternehmens brachte, vermehrte sich die Rübenanbaufläche um 3.000 Morgen (750 ha). Der Weferlinger Verwertungspreis lag in diesem Zeitraum im Jahresdurchschnitt um mehr als 1,50 Mark je Zentner höher als der der Nachbarfabriken. Langfristige Zulieferverträge wurden geschlossen und nach ihrem Ablauf erneut um zehn Jahre verlängert. G. nahm in der Folge weitere Nebenämter als kaufmännischer Direktor der Vereinigten Walbecker Kalkwerke und der Brauerei Allertal wahr und wirkte auch als Mitbegründer und Geschäftsführer des Großen landwirtschaftlichen Vereins Weferlingen, in dem 26 landwirtschaftlich-genossenschaftliche Unternehmungen ihren Mittelpunkt hatten. Auch der Bahnbau Weferlingen-Neuhaldensleben entsprang seiner Initiative. Anfang 1906 siedelte G. nach Zeitz über und nahm dort die Tätigkeit eines kaufmännischen Direktor und Vorstandes der Zeitzer Zuckerfabrik auf, gehörte jedoch weiter dem Aufsichtsrat des bis dahin von ihm geleiteten Weferlinger Unternehmens an. In Zeitz setzte er seine Strategie erneut in die Tat um und steigerte über einen Zeitraum von 20 Jahren den Rübenanbau um das vierfache; die Zahl der Lieferanten stieg von 180 auf mehr als 2.400. Die Zeitzer Zuckerfabrik verfügte um 1925 über eine Tagesproduktion von 1.800 t und unterhielt eine Dampfziegelei, ein elektrisches Kraftwerk und eine Kohlengrube als große Nebenbetriebe. Unter seiner Leitung entwickelte sich die Zeitzer Zuckerfabrik zu einer der größten Deutschlands. Bereits 1904 versuchte G. in der Denkschrift “Ist die deutsche Landwirtschaft imstande, bei sich steigernder Bevölkerung Deutschlands Brotgetreide und Fleischbedarf zu decken? Kulturgeschichtliche Studie aus dem Gebiete des landwirtschaftlichen Vereins Weferlingen” den theoretischen Nachweis zu erbringen, daß allein durch die intensive Zuckerrübenwirtschaft dieses Ziel zu erreichen sei. G. vertrat auch späterhin diesen Standpunkt auf wirtschaftspolitischer Ebene. In Zeitz wirkte er als Stadtrat, war Vorsitzender und Ehrenvorsitzender des Vereins der kaufmännischen Beamten der deutschen Zuckerindustrie und übte zahlreiche weitere Ehrenämter aus. In der Zuckerindustrie gehörte er den Verwaltungsorganen der Raffinations- und Weißzuckerindustrie, der Deutschen Zuckerbank, der Pensionskasse und dem Bund der Zuckerfabriken an.

Werke: An den Herrn Reichsminister für Ernährung und Landwirthschaft D. Haslinde, 1927; 75 Jahre Bestehen der Zuckerfabrik Zeitz m.b.H., 1933 (*B).

Literatur: Fs. 25 Jahre Zuckerfabrik Weferlingen, 1902; Georg Wenzel (Hg.), Deutsche Wirtschaftsführer, 1929.

Kurt Buchmann/Guido Heinrich