Günther, Gottlieb Albert Ferdinand
geb. 07.07.1814 Neuhaldensleben,
gest. 04.01.1886 Berlin,
Lohgerbermeister, Lederfabrikant, Geheimer Kommissionsrat.

G.s Vorfahren waren nachweislich seit dem 13. Jahrhundert als ehrenwerte Bürger und Gerber in der Region ansässig. G. ging 1830 bei seinem Vater, einem Lohgerber, in die Lehre und führte ab 1837 auf dem Grundstück der Familie eine eigene Lohgerberei. Die Stadt Neuhaldensleben verdankt ihm das Auffinden des artesischen Wassers. 1844 bohrte G. hinter seinem Grundstück den ersten einer Reihe von artesischen Brunnen, die an die Stelle der beständigen Reparaturen unterworfenen Plumpbrunnen traten und bis ca. 1910 die wichtigsten Wasserquellen für die Bürger der Stadt bildeten. Von 1839 bis 1860 war G. Stadtverordneter, zeitweise auch Stadtverordnetenvorsteher in Neuhaldensleben. Im Revolutionsjahr 1848 ging G. mit einigen anderen Bürgern der Stadt als Abgesandter des Bürgervereins nach Berlin und berichtete am 23.03.1848 in Neuhaldensleben auf einer abendlichen großen Volksversammlung von den Berliner Ereignissen. In G. vereinigte sich auf hervorragende Weise Unternehmergeist mit bürgerlich-sozialem Engagement. In der schweren Zeit der Cholera-Epidemie organisierte er die Suppen- und Fleischverteilung, sowie Privatsammlungen. G. war einer der maßgeblichen Begründer und Vorsteher der Kleinkinderbewahranstalt (1845) und plante bereits in den 1850er Jahren die Einrichtung eines Siechenhauses. 1846 gründete er den Deutschen-Gerber-Verein, den späteren Central-Verein der deutschen Leder-Industriellen (1860), betätigte sich in gemeinnützigen Vereinen und in der Heimatpflege. 1860 gab G. die Lohgerberei auf und zog mit seiner Familie nach Berlin, um sich stärker in die “vaterländische Gewerbewelt” einbringen zu können. In Berlin eröffnete er eine Lederhandlung, legte eine chemische Versuchsstation und eine eigene Buchdruckerei an und belieferte und beriet das Militär in den Kriegen der 1860er Jahre und 1870/71, wofür ihm der Charakter eines Geheimen Kommissionsrates verliehen wurde. Seine besondere Aufmerksamkeit galt jedoch dem Handwerk und gewerblichen Vereinswesen. Er gab gewerbliche Zeitschriften heraus, rief gewerbliche Assoziationen wie den Deutschen-Schuhmacher-Verein und den Deutschen-Bäcker-Verein Germania ins Leben und begründete das Deutsche Vereinshaus in Berlin. G. setzte sich zudem für die Wiedereinführung der Eichenkultur ein, so daß der König von Belgien ihn mit dem Ritterkreuz des Leopoldordens für seine wiederholten Verdienste um die Forstkultur ehrte. 1880 erhielt G. das Ehrenbürgerrecht der Stadt Neuhaldensleben.

Literatur: Beilage zum Neuhaldensleber Stadt- und Landboten, Nr. 2, 1931 (B).

Sandra Luthe