Tischbein, Heinrich Ludwig Karl August William (Willy)
geb. 22.02.1871 Sarstedt,
gest. 09.02.1946 Celle,
Kaufmann, Radsportler, Unternehmer.

Der Kaufmannssohn durchlief nach dem Besuch der Realschule der Franckeschen Stiftungen und der Handelsschule in Halle dort 1886–88 eine kaufmännische Lehre, trat danach als Handlungsgehilfe in die Firma F. A. Jordan in Magdeburg ein und erhielt hier später Prokura. Er hatte sich bereits 1886 dem Hallischen Bicycle-Club angeschlossen und gilt als einer der Pioniere des deutschen Radsports. In Magdeburg trat er dem Velocipeden-Club von 1869 bei und startete fortan unter dieser Doppelmitgliedschaft. Sein Metier war das sogenannte Dreirad, das beim Verdrängen des Hochrades keine geringe Rolle spielte und damals sehr beliebt war. T. siegte 1890 bereits in der Meisterschaft von Preußen, gewann 1891 bis 1893 u. a. die Meisterschaft von Deutschland und erkämpfte 1893 als Krönung seiner Laufbahn die Europameisterschaft. Er beendete seine Laufbahn als Radrennfahrer und wechselte im April 1893 beruflich in die Continental-Caoutchouc- und Gutta- Percha-Compagnie in Hannover. T. widmete sich alsdann der aufblühenden Autoindustrie, siegte 1900 in der Auto-Fernfahrt “Eisenach-Berlin-Eisenach” und ein Jahr später im Rennen “Mannheim-Pforzheim-Mannheim”. Der letztere Wettbewerb galt gleichzeitig als Ausscheidungsrennen für den Gordon-Bennett-Pokal, dem offiziellen Vergleich der weltbesten Automarken. T. konnte dieses Rennen jedoch nicht bestreiten, da alle Mercedeswagen für das Rennen “Paris-Berlin” wegen des nationalen Werbeeffekts reserviert wurden. 1898 erhielt T. Prokura, wurde 1905 Direktor, 1907 Vorstandsmitglied und 1925 Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender des heute noch Weltruhm genießenden, ab 1929 unter Continental Gummi-Werke A.-G. firmierenden Unternehmens. Er verwirklichte als erster seiner Branche die Idee, Sport und Marketing zu verbinden, indem er mit Sportlern für die Produkte seiner Firma warb. Der geschätzte Wirtschafts- und Finanzexperte war Mitglied in zahlreichen Vorständen und Aufsichtsräten, hatte zahlreiche Ehrenmitgliedschaften und -vorsitze inne und wurde mehrfach geehrt. Ende 1934 schied T. altershalber aus der Firma aus.

Literatur: Reichshdb 2, 1913f. (B); Radfahr-Chronik, Beilage Radsport-Humor vom 01.09.1891; Sport-Album der Radwelt 4, 1905, 65f. (B); Sammlung Günter Grau, Sandbeiendorf (privat).

Bildquelle: *Fritz Merk (Hg.), Deutscher Sport, Bd. 1, ca. 1925, 264.

Günter Grau