Petry, Walther, Dr. phil.
geb. 09.08.1898 Magdeburg,
gest. 21.07.1932 Berlin,
Schriftsteller, Übersetzer, Herausgeber, Kritiker.

Der in Magdeburg geb. P. verlebte seine Kindheit in Danzig und nahm 1917/18 als Soldat am I. Weltkrieg teil. Nach Philosophie-Studium und Promotion lebte er – meist in beengten Wohnverhältnissen und in finanzieller Not – als freier Journalist, Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer in Berlin. Während P. in seinen frühen Gedicht-Bänden “Der ewige Rausch” (1919) und “Angst und Erlösung” (1920) sowie seinen unpublizierten Dramen-Versuchen einer weitgehend psychologisierend-nihilistischen Verarbeitung eigenen Erlebens verpflichtet war, wandte er sich später unter dem Einfluß von Gottfried Benn und Henning Pfannkuche einer kritischen Sichtung expressionistischer Ästhetik und Formsprache zu. Durch Pfannkuche auf die moderne französische Dichtung verwiesen, übersetzte P. anspruchsvolle Texte von Apollinaire, Lautreamont, Mallarmé, Valèry, Alfred Jarry, Leon-Paul Fargue sowie Marcel Prousts Erzählung “Violanthe” aus “Les plaisirs et les jours” und arbeitete danach im Kreis der Proust-Übersetzer des Verlags Die Schmiede. Gemeinsam mit Walter Benjamin und Franz Hessel erhielt P. den Auftrag, den zweiten und die folgenden Bände von Prousts “À la recherche du temps perdu” zu übersetzen, deren Edition jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten eingestellt wurde. P. war Mitarbeiter der anarchistischen Zeitschrift Der Einzige (Herausgeber Anselm Ruest und Salomon Friedlaender) und lieferte Buchbesprechungen, kleinere Prosatexte und Essays für die Tagespresse. Zudem hielt er sich durch Herausgebertätigkeiten für verschiedene Berliner Verlage über Wasser. Ab ca. 1927 wurde er auf Vermittlung Bernhard Guillemins, des Leiters des Feuilletons der Magdeburgischen Zeitung, ständiger Mitarbeiter dieser Blattes, dessen Berliner Feuilleton-Redaktion er zeitweise übernahm. Bereits Mitte der 1920er Jahre hatte P. die Bedeutung von Robert Musil erkannt, den er 1927 persönlich kennenlernte. P.s 1930 publizierter Aufsatz über Musil, in dem dieser seine künstlerischen Intentionen auf besondere Art verstanden sah, wurde zum Ausgangspunkt eines konstruktiven, durch den Tod P.s abgebrochenen Dialogs beider (publiziert in: Robert Musil, Briefe-Nachlese, 1994). Ergebnisse eigener lyrischer Arbeit legte er 1930 in “Das Ich. Gedichte in odischer Art” vor. Eine vom Propyläen-Verlag geplante Sammlung seiner Übersetzungen sowie eine Sammlung von Prosatexten wurden nicht realisiert. P. starb an den Folgen eines Autounfalls. Die bereits gleichgeschaltete Deutsche Verlagsanstalt unterdrückte einen größeren Nachruf Anselm Ruests, der sich nach P.s Tod um dessen Nachlaß kümmerte.

Werke: s. o.; Die dadaistische Korruption. Klarstellung eines erledigten Philosophieversuchs, 1920; (Hg.): Klassiker der erotischen Literatur (5 Bände), 1925 (Neuauflage 1928); (Hg.): Humor der Nationen (4 Bde), 1925.

Nachlaß: DLA Marbach (Nachlaß Ruest).

Literatur: Kosch LL 12, Sp. 1140; Anselm Ruest, W. P. (1898–1932), Ms. 1933 (DLA Marbach); Paul Raabe, Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus, 21992, 368; Kat. Literatur-Autographen-Exil des Antiquariats “Die Silbergäule”, Hannover 1993.

Guido Heinrich

letzte Änderung: 26.09.2005