N. wurde als ältester praktizierender Arzt Deutschlands bekannt, der noch mit 98 Jahren Patienten empfing und nach einem wechselvollen Leben 103 Jahre alt wurde. N. studierte ab 1912 in Jena, Kiel und Halle Medizin und wurde zu Beginn des I. Weltkrieges als Feldunterarzt eingezogen. 1919 erhielt er seine Approbation als Arzt und wirkte an der Universitäts- Frauenklinik Halle. Ab 1920 übernahm N. schrittweise die Praxis von seinem Vater, dem Sanitätsrat Gustav N., der in Möckern und 20 umliegenden Orten von 1889 bis 1929 als Landarzt praktizierte. Er promovierte 1922 mit der Abhandlung “Beitrag zur Kasuistik der rhinogenen intrakraniellen Komplikationen”. Zwischen den Weltkriegen leitete N. die von seinem Vater gegründete freiwillige Sanitätskolonne des Deutschen Roten Kreuzes in Möckern. 1940 verpflichtete man N. als Oberfeldarzt in das Kriegsgefangenenlager der Deutschen Wehrmacht in Altengrabow bei Loburg. N. war damit Stabsoffizier und wurde 1945, als zunächst die Amerikaner nach Altengrabow kamen, von einem vor Ort einberufenen Kriegsgericht freigesprochen. Der Urteilsfindung lagen Aussagen von amerikanischen, englischen, französischen und russischen Kriegsgefangenen zugrunde. Mit dem Abzug der alliierten Truppen boten ihm die Amerikaner den Umzug seiner Familie in den Westen an. N. lehnte ab, da er sich keiner Vergehen schuldig fühlte. Nach dem Einmarsch sowjetischer Truppen wurde er als Kriegsgefangener nach Sibirien gebracht und zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt. Nach elf Jahren Gefangenschaft in Rußland, Bautzen und Torgau schrieben seine Patienten eine Petition an Wilhelm Pieck und forderten seine Freilassung. So kam N. 1956 wieder nach Hause und nahm seine Tätigkeit als Landarzt wieder auf. Die Stadt Möckern ehrte ihn mit der goldenen Ehrennadel zu seinem 100. Geburtstag. “Gesund leben, heißt alt werden” war sein Motto, das er von seiner Mutter Elisabeth, die 100 Jahre alt geworden war, übernommen hatte.

Literatur: TV-Bericht zum 100jährigen Geburtstag A. N.s, MDR-Regional am 22.06.1992; N. N., Hundert Jahre geworden ohne ein Geheimrezept, in: Volksstimme vom 22.06.1992; TV-Bericht, Ältester praktizierender Arzt 100jährig, in: Außenseiter Spitzenreiter, MDR, Februar 1993; N. N., Seit 48 Jahren habe ich keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken, in: Volksstimme vom 27.07.1993.

Bildquelle: *Familienunterlagen Waltraud Ihlenfeld, geb. N., Berlin (privat).

Udo Rönnecke

geändert: 09.06.2004