Fendt, Leonhard, Prof. Dr. theol., Dr. theol. h.c.
geb. 02.06.1881 Baiershofen/Bayern,
gest. 09.01.1957 Augsburg,
katholischer Priester, evangelischer Pfarrer, Hochschullehrer.

F., aus bäuerlichen Verhältnissen stammend, studierte ab 1901 in München katholische Theologie. 1905 wurde er zum katholischen Priester geweiht und wirkte 1905–1911 als Kaplan in Krumbach. An der Straßburger Universität wurde er 1910 mit einer Dissertation über Nestorius zum Dr. theol. promoviert. 1911 wechselte F. als Subregens des Priesterseminars nach Dillingen und war seit 1915 dort auch außerordentlicher Professor für Dogmatik und Apologetik. Nach intensiver Beschäftigung mit Luther und evangelischen Dogmatik entschloß er sich zum Übertritt in die evangelische Kirche. Ab 1917 nahm F. Studienurlaub in Halle, um bei Friedrich Loofs tiefer in die evangelische Theologie einzudringen. Am Gründonnerstag 1918 vollzog er die Konversion, wurde am 30.06.1918 ordiniert und war ab Juli des Jahres als evangelischer Pfarrer in Gommern, ab 1923 als Oberpfarrer an der Heilige-Geist-Kirche in Magdeburg sowie als Herausgeber des Magdeburger Kirchenblattes tätig. Ab 1926 arbeitete F. als Pfarrer an der Berliner Kirche “Zum Heilsbronnen”. 1930 verlieh ihm die Universität Erlangen die Ehrendoktorwürde. F. habilitierte sich 1931 für Praktische Theologie in Berlin und arbeitete dort ab 1934 als ordentlicher Professor sowie Universitäts-Prediger. Nach 1945 war F. noch einmal kurz außerordentlicher Professor an der Universität Erlangen, dann seit 1950 theologischer Lehrer an der Missionsschule Bad Liebenzell. Todkrank lehnte er 1956 die angetragene Rekonversion ab, die Sterbesakramente wurden ihm aufgenötigt. F.s wissenschaftlichen Verdienste liegen in erster Linie auf dem Gebiet der Praktischen Theologie. Die massive Unkirchlichkeit und passive Christlichkeit, die F. während seiner Tätigkeit in und um Magdeburg erfuhr (Gomorra), führte ihn zu dem Versuch einer Neupositionierung der Praktischen Theologie. Sie ist, indem sie in erster Linie auf den Gemeindeaufbau abzielt, für F. die theologische Theorie, die die im Neuen Testament vorausgesetzte kirchliche Praxis erforscht, darlegt und in die gegenwärtige Lage einzeichnet. Dabei intendierte F. einen prinzipiell ökumenischen Kirchenbegriff, der aber dennoch einer konfessionellen Individuation fähig ist. Sein Zielgedanke der einen christlichen Kirche der Menschheit ist aber in letzter Konsequenz reduktionistisch, da das, was an Unterschieden im Laufe der Jahrhunderte hervorgetreten ist, daraufhin bereinigt werden muß, was von den Anhängern als größerer Gehorsam gegen das Neue Testament verteidigt werden kann. F.s entschiedener Rekurs auf das Leitbild des Neuen Testaments hält sich auch in der materialen Exposition aller Teildisziplinen der Praktischen Theologie durch. In der evangelischen Kirche war F. trotz seiner wissenschaftlichen Leistungen nicht unumstritten. Seine grundsätzliche ökumenische Offenheit insbesondere gegenüber der katholischen Kirche wurde auf dem Hintergrund seiner Biographie gegen ihn ausgelegt und trug ihm von Seiten gemäßigter und konservativer Lutheraner den Ruf eines Konvertitentheologen ein. Umstritten war auch F.s kirchenpolitische Einstellung in der Zeit des Dritten Reiches. Zwar schloß er sich nicht den Deutschen Christen an, stand aber aufgrund einer erklärt apolitischen Einstellung den auch in der Kirche grassierenden nationalsozialistischen Umtrieben äußerst unkritisch gegenüber. Im Nachhinein wurde ihm deshalb ein zu enger Schulterschluß mit dem national- sozialistischen Regime angelastet, was nach dem Krieg seinen Wiedereinstieg ins akademische Lehramt erschwerte bzw. schließlich gänzlich unmöglich machte. In Gommern entstand neben einer fundierten stadtgeschichtlichen Arbeit (“Zur Geschichte Gommerns”, 1929) und der religionsgeschichtlichen Studie über “Gnostische Mysterien” (1922) sein bedeutendes liturgiegeschichtliches Werk “Der lutherische Gottesdienst im 16. Jahrhundert” (1923).

Werke: Der Wille zur Reformation im Augsburgischen Bekenntnis, 1930; Katechetik, 1935; Grundriß der Praktischen Theologie (3 Bde), 1938–1939; Homiletik, 1949; Einführung in die Liturgiewissenschaft, 1958.

Literatur: RGG 2, 31958, 898f.; BBKL 2, Sp. 14f.; Robert Frick, L. F. zum 75. Geburtstag, in: Monatsschrift für Pastoraltheologie 45, 1956, 193–285; Hans Urner, In memoriam L. F., in: Theologische Literaturzeitung 83, 1958, 73–76; Karl Friedrich Wiggemann, Briefe des Kaplans L. F. aus den Jahren 1905–1910. Ein Beitrag zur Modernismusforschung, in: Zs. für Kirchengeschichte 91, 1980, 283–311; ders., L. F., Leben und Werk, Diss. Erlangen 1981; Theologische Realenzyklopädie, Bd. 11, 1983, 78–81 .

Matthias Neugebauer

letzte Änderung: 19.08.2004