Hartmann, Gustav Theodor Andreas (genannt Eiserner Gustav)
geb. 04.06.1859 Magdeburg,
gest. 23.12.1938 Berlin-Wannsee,
Droschkenkutscher.

Nach einer Müllerlehre in Magdeburg und dem mißglückten Versuch eines Kolonialwarenhandels am Rande Berlins betrieb H. ab 1885 mit seiner Familie in Berlin-Wannsee das Fuhrgeschäft Wannsee-Droschken. Seinen Beinamen “Eiserner Gustav” bekam H., weil er in einer Zeit, in der es schon Auto-Droschken gab, von denen er auch selbst zwei besaß, täglich bis 2.08 Uhr nachts am Bahnhof Wannsee mit der Pferdedroschke die letzten Heimkehrer aus dem Zentrum Berlins erwartete, um sie nach Hause zu kutschieren. 1927 befragte ihn eine französische Reiterin nach dem Weg, der sie zu Roß von Paris über das Zentrum Berlins bis nach Bukarest führen sollte. Von diesem Unternehmen beeindruckt, faßte H. den Entschluß, seine berufliche Laufbahn mit einem Höhepunkt zu beschließen und seinen 69. Geburtstag in Paris zu feiern. H., bodenständig und praktisch, aber in schriftlichen Dingen nicht bewandert, holte sich Unterstützung bei der Berliner Morgenpost, bekam den Reporter Hans Hermann Theobald zur Begleitung und begann in einer Zeit technischer Rekorde Anfang April 1928 seine Kutschfahrt, die länger als fünf Monate dauern sollte. Die Reise, die H. jeweils auch über seine Geburtsstadt Magdeburg führte, wurde zum großen Medienereignis. Im September 1928 zurückgekehrt, erhielt er am Brandenburger Tor, unter dem noch zehn Jahre zuvor nur der Kaiser stehen durfte, einen triumphalen Empfang durch die Berliner Bevölkerung und die Honoratioren der Stadt. Als H. ein Jahr später als Sozius-Tester für Zündapp eine 10.000 km-Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz unternahm, war die Anteilnahme der Medien wesentlich geringer. H. wurde durch seine späten Wagnisse nicht wohlhabend. Er verkaufte in den folgenden Jahren gegenüber seinem alten Stammplatz am Bahnhof Wannsee Ansichtskarten, die an seine Reise nach Paris erinnerten. Eine Brandstiftung vernichtete seinen gesamten Fuhrpark, einschließlich der historischen Kutsche. H. aber wurde als Berliner Original bekannt. Seine Geschichte wurde mehrmals, mehr oder weniger frei, verfilmt, ihm wurde ein Denkmal gesetzt und der Vorplatz seines Bahnhofs nach ihm benannt.

Literatur: Gunnar Müller-Waldeck/Roland Ulrich, Er war der Eiserne Gustav. Die Geschichte des legendären Kutschers G. H., 1994; Zehlendorfer Volksblatt vom 21.06.2000.

Bildquelle: *Ursula Buchwitz-Wiebach, Berlin (privat).

Margrit Friedrich