Genest, Wilhelm Ludwig Werner
geb. 18.08.1850 Jerichow,
gest. 13.03.1920 Berlin,
Ingenieur, Industrieller.

Der Sohn des Gastwirts August G. war nach dem Besuch der Volksschule in Jerichow und dem Studium des Maschinenbaus von 1869 bis 1873 an der Berliner Gewerbeakademie mehrere Jahre als Ingenieur bei der Königlichen Preußischen Eisenbahn tätig und erwarb hier vielseitige Kenntnisse in der Fabrikationsweise der Großindustrie. In dieser Zeit schritt die Entwicklung der Telegraphie schnell voran, und auf dem Gebiet der Telephonie waren ähnliche Erfolge zu erwarten. G. verzichtete auf die sichere Laufbahn eines höheren Beamten und widmete sich der Entwicklung und Herstellung von elektrischen Nachrichtengeräten. Er gründete 1897 in Berlin mit dem Kaufmann Wilhelm Mix die Firma Mix & Genest, Telegraphenbau-Anstalt und Telegraphendraht-Fabrik. Die Werkstätten wurden von Anfang an auf wirtschaftliche Mengenfertigung eingerichtet, G. selbst konstruierte und sorgte für Aufträge. Die Produkte, die sich anfangs auf Haustelegraphiegeräte, wie Klingeln, Läutewerke, Fallklappen u. a., erstreckten, sicherten nach der Einführung des öffentlichen Fernsprechverkehrs in der Wirtschaft 1881 mit der patentrechtlich geschützten Vervollkommnung des Fernsprechers und anderer wichtiger Erfindungen auf dem Gebiet der Telephonie eine sehr günstige Geschäftsentwicklung und Produktionserweiterungen. Durch mehrere Erfindungen und Verbesserungen hatte G. wesentlichen Anteil an der frühen Entwicklung der Telefontechnik. Seine Firma stellte erstmals Telefone und Telefonvermittlungsstellen als Massenprodukte her, ebenso später Rohrpost- und Förderanlagen, und sicherte die Ausweitung des Verkaufs mit einer eigenen Installationsabteilung. G. war inzwischen im Alleinbesitz der Firma und gründete 1889 die Actiengesellschaft Mix & Genest, Telephon-, Telegraphen- und Blitzableiter-Fabrik (AG). Die Beschäftigtenzahl wuchs bis 1904 rasch auf 2.300 Personen. Die AG eröffnete zahlreiche Filialen in Deutschland sowie in Amsterdam und London. Ab 1907 gab G., der das Unternehmen von der Werkstatt zum Großbetrieb geführt hatte, die Firmenleitung ab und war fortan beratend tätig. Die Firma verband sich mit zwei amerikanisch- englischen Gesellschaften, beteiligte sich an einem Kabelwerk, kooperierte mit der AEG, bildete eine Holdinggesellschaft, errichtete Zweigwerke und wurde nach der vollständigen Demontage nach der Einnahme Berlins 1945 in Berlin und Stuttgart wieder aufgebaut. 1949 verlegte die Firma unter der Bezeichnung Standard Elektrizitäts-Gesellschaft AG ihren Sitz endgültig nach Stuttgart.

Literatur: Fs. 75 Jahre Mix & Genest 1879–1954, 1954 (*B); Martin Wiehle, Altmark-Persönlichkeiten, 1999, 54.

Rolf Naumann

letzte Änderung: 28.09.2004