Jordan, Rudolf
geb. 21.06.1902 Großlüder/Kreis Fulda,
gest. 27.10.1988 München,
Lehrer, Gauleiter, Reichsverteidigungskommissar.

J., Sohn eines Kaufmanns und Kleinbauern, arbeitete nach dem Besuch der Volksschule 1916–18 im freiwilligen Arbeitseinsatz als Fräser in Munitionsfabriken. 1918–24 besuchte er die Präparandenanstalt und das Lehrerseminar in Fulda, von 1924 bis 1927 war J. in Verlagen, in der Werbebranche und als Lehrer tätig. Seine weltanschauliche Einstellung wurde maßgeblich durch völkisch-rechtes Schrifttum geprägt. Er lehnte den Weimarer Staat ab, war 1920 als Zeitfreiwilliger bereit, den Kapp-Putsch zu unterstützen und schloß sich 1921 dem Wehrverband Bund Oberland an. 1925 in die NSDAP eingetreten, wurde er 1929 Abgeordneter des Provinziallandtages Hessen-Nassau und der Stadtverordnetenversammlung Fulda, war Herausgeber der völkischen Monatszeitschrift Notung und der nationalsozialistischen Zeitung Fuldaer Beobachter. J. wurde wegen seiner politischen Tätigkeit aus dem Schuldienst entlassen. Im Januar 1931 zum Gauleiter des Gaues Halle-Merseburg ernannt, war er seit 1932 Mitglied des Landtages der Provinz Sachsen und des Preußischen Landtages, seit 1933 Bevollmächtigter der Provinz Sachsen im Reichsrat und Mitglied des Reichstages, seit 1935 Preußischer Staatsrat. J. hatte maßgeblichen Anteil an der Errichtung der nationalsozialistischen Diktatur in der Provinz Sachsen, vor allem im Raum Halle-Merseburg. Unter seiner Leitung kam es zum Blutsonntag in Eisleben am 12.02.1933. Er forderte als Fraktionsvorsitzender der NSDAP im Landtag der Provinz den Landeshauptmann Erhard Hübener ultimativ zum Rücktritt auf (April 1933). Von Hitler im April 1937 zum Reichsstatthalter der Länder Braunschweig und Anhalt und zum Gauleiter des Gaues Magdeburg-Anhalt ernannt, wurde J. bei Kriegsausbruch 1939 Reichsverteidigungskommissar im Wehrkreis XI (u. a. Magdeburg-Anhalt), nach der Neuordnung der Reichsverteidigungsbezirke seit November 1942 nur noch Reichsverteidigungskommissar für den Gau Magdeburg-Anhalt. Zu seinen Aufgaben gehörte die Organisation und Kontrolle der Kriegswirtschaft. J. übernahm auch die staatlichen Kompetenzen als Chef der Anhaltischen Landesregierung 1940 und als Oberpräsident der Provinz Magdeburg 1944. Im vorletzten Kriegsjahr war er als Gauvolkssturmführer und Gauarbeitsführer des Reichsarbeitsdienstes eingesetzt. Seit 1944 rückte die Organisierung des zivilen Luftschutzes und die Beseitigung der Folgen alliierter Bombardements in den Mittelpunkt der Tätigkeit J.s. Der Gau-Einsatzstab in Dessau versuchte, die notwendigen Maßnahmen zu koordinieren. J. schaltete sich in den Luftschutz und die Evakuierungsaktion der als “besonders gefährdet” eingestuften Stadt Magdeburg direkt ein. Die von ihm nach Luftangriffen verkündeten Durchhalteparolen fanden in der Bevölkerung immer weniger Resonanz. Nachdem er bis Frühjahr 1945 den “Endsieg” prophezeit hatte, tauchte J. nach dem Tod Hitlers unter. Er entkam mit der Familie auf das westelbische Gebiet. Von britischen Soldaten erkannt, wurde er den Amerikanern ausgeliefert, die ihn der Roten Armee überstellten. Ende 1950 wurde er in der Sowjetunion zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Aufgrund der Vereinbarungen der Bundesregierung mit der sowjetischen Führung im Oktober 1955 freigekommen, arbeitete er als Vertreter, Inspektor und schließlich als Sachbearbeiter in der Münchener Flugzeugindustrie. J. hatte fortan auch die Möglichkeit, seine Sicht auf die zurückliegende Geschichte zu publizieren. Die autobiographischen Erinnerungen belegen, daß er wenig aus der von ihm mitzuverantwortenden nationalsozialistischen Vergangenheit gelernt hatte.

Werke: Erlebt und erlitten. Weg eines Gauleiters von München bis Moskau, 1971.

Literatur: Karl Höffkes, Hitlers politische Generale. Die Gauleiter des Dritten Reiches, 1986, 159–164 (B).

Bildquelle: Reichstagung in Nürnberg 1934, herausgegeben im Auftrag des Frankenführers Julius Streicher, Berlin 1934.

Manfred Wille

letzte Änderung: 05.04.2006