Markmann, Fritz-August
Wilhelm, Dr. jur. |
Der Sohn eines Sattlermeisters besuchte 1906–17 die Volksschule und das Reform-Realgymnasium in Perleberg, wurde 1917 Soldat und nach einer Kurzausbildung Dolmetscher in Kriegsgefangenenlagern der Provinz Sachsen. 1919 begann M. ein Medizin-Studium in Berlin. Nach dessen Abbruch studierte er Rechts- und Kameralwissenschaften in Jena. 1922 folgte die Promotion. Seit 1923 war M. Syndikus in Bitterfeld und Berlin, ab 1925 Syndikus und Geschäftsführer mittelständischer Wirtschaftsverbände in Magdeburg. M. trat nach zeitweiliger Mitgliedschaft in der Wirtschaftspartei im Oktober 1931 in die NSDAP ein, fiel in der Magdeburger nationalsozialistischen Bewegung jedoch nicht auf. Er wurde am 12.03. 1933, auf dem 19. Platz der NSDAP-Kandidatenliste liegend, in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Als am 22.03.1933 SA- und SS-Revoluzzer “putschten” und einen Standartenführer kommissarisch auf den durch die Ablösung Ernst Reuters vakanten Oberbürgermeisterstuhl setzen wollten, entschied sich am folgenden Tag die preußische Staatsregierung für M. Mit ihm wurde ein Kandidat bestimmt, der Sachkompetenz, Augenmaß und Ansehen in den Wirtschaftskreisen besaß. Am 06.07.1933 offiziell zum Oberbürgermeister “gewählt”, übte er entsprechend des nationalsozialistischen “Führer-Gefolgschafts-Prinzips” das Stadtregiment autoritär aus. Ein Ratsherrenkollegium hatte lediglich beratende Funktion. Die von M. getroffenen Entscheidungen stellten, wenn auch nationalsozialistisch verbrämt, stets die Sachfragen in den Mittelpunkt. Seit 1935 wurden die Befugnisse M.s durch den zum “Beauftragten der NSDAP für die Stadt Magdeburg” eingesetzten nationalsozialistischen Kreisleiter Rudolf Krause spürbar eingeengt. Der “Beauftragte” entschied fortan alle wichtigen personalpolitischen Fragen. Festlegungen des Oberbürgermeisters mußten von ihm genehmigt werden. M., zwar ein überzeugter Anhänger des nationalsozialistischen Regimes, distanzierte sich innerlich von den fanatischen Ideologen und den primitiven Scharfmachern. Obwohl von Gewissensbissen geplagt, mußte er vom “Beauftragten” und den Ratsherren an ihn herangetragene Forderungen (z. B. Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen Mitbürger) umsetzen. In seine Amtszeit bis zum Ausbruch des II. Weltkrieges fallen beachtliche kommunalpolitische (Wohnungsbau) und wirtschaftlich-technische Leistungen (Handelshafenausbau, Anschluß an Autobahn und Mittellandkanal, Schiffshebewerk). Jedoch stoppten die aufgrund der Aufrüstung fehlenden Gelder seit 1937/38 andere groß angekündigte Projekte (Ost-West-Durchbruch, Strombrücke). M. widmete sich engagiert dem geistig-kulturellen Leben. Er ermahnte die Parteigenossen, sich mehr um Kultur und Theater zu kümmern. An der Geschichte Magdeburgs sehr interessiert, gründete er 1933 das Stadtgeschichtliche Museum. Trotz der Belastung im Amt veröffentlichte er verkehrswissenschaftliche Studien. Besonders interessierten ihn Geschichte und Verbreitung des Magdeburger Stadtrechts, zu dem er, ausgehend von geopolitischen Positionen, mehrere Publikationen vorlegte. Den offiziellen Auftakt für die Sammlung der Magdeburger Schöffensprüche bildete Mitte 1937 eine Ausstellung, verbunden mit einem nationalsozialistischen Rechtswahrertag. M. beauftragte den Stadtarchivar Paul Krause, in den Ostgebieten des Deutschen Reiches Magdeburger Schöffensprüche zu sammeln. Ein von ihm 1940 gegründetes Institut zur Erforschung des Magdeburger Stadtrechts blieb Episode. Der Ausbruch des II. Weltkrieges bedeutete auch im Leben M.s einen tiefen Einschnitt. Zwar befreite er sich zunehmend von der Vormundschaft des nationalsozialistischen Kreisleiters, jedoch nahm dessen Position bald der Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Rudolf Jordan ein. Alle zivilen Bauvorhaben und Projekte mußten gestoppt werden. In den Mittelpunkt seiner Arbeit rückten die Versorgung der Menschen und der Luftschutz. Ab 1944 mußte M. tatenlos zusehen, wie die Stadt, der er eine große Zukunft vorausgesagt hatte, in Schutt und Asche fiel. Obwohl er auf seinen Posten ausharrte und die sich anbahnende totale Katastrophe mit zu verantworten hatte, ging er auf immer größere innere Distanz zum nationalsozialistischen Regime. Davon zeugen auch seine Kontakte zum Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler. Von der Sinnlosigkeit des Krieges überzeugt, versuchte er im April 1945 ohne Erfolg die Verteidigung der todwunden Elbestadt zu verhindern. Von den Amerikanern verhaftet und interniert, wurde er im September 1946 entlassen und fand bei Verwandten in Ebstorf Unterkunft. Dort arbeitete er bis zu seinem Tode als kaufmännischer Angestellter. Eine niedersächsische Entnazifizierungskommission stufte ihn als “Mitläufer” ein.
Werke: Gedanken zum kommunalpolitischen Aufbau, veröffentlicht nach Reden und Abhandlungen, 1934; Staat und Gemeinde, 1935; Zur Geopolitik des Magdeburger Rechts, in: Zs. für Geopolitik, 1935, 384-393; Vom deutschen Stadtrecht, 1937; Magdeburger und Lübisches Stadtrecht im Norden und Osten Europas nach geopolitischen Gesichtspunkten, 1938; (Hg., Einl.) Das Burger Landrecht. Text und Übersetzung nebst Faksimilé-Wiedergabe, [1938] (mit Paul Krause); Zur Geschichte des Magdeburger Rechts, 1938; (Hg.) Die deutschen Wasserstraßen, 1938; Danzig, 1938 (mit Johann Thies); Auf alten Handels- und Salzstraßen Mitteleuropas, [1939]; Magdeburg, 1940 (Geopolitik deutscher Städte, Bd. 1); (Hg.) Die Magdeburger Schöffensprüche und Rechtsmitteilungen (3 Bde), 1940-1944; Magdeburger stadtrechtliche Forschungen im Osten Europas, in: Reichsverwaltungsblatt 61, 1940, 373-378; Die Zukunft der europäischen Binnenschiffahrtsstraßen, in: Zs. für Geopolitik 19, H. 2, 1942, 485-489; Die deutschen Flüsse und Kanäle, 1942 (mit Johann Thiess).
Literatur: Heiner Lück, „Der Deutsche kommt also im Osten in kein Neuland …“. Das Institut zur Erforschung des Magdeburger Stadtrechts (1940-1945), in: ders./Werner Freitag (Hg.) Historische Forschung in Sachsen-Anhalt, 1999, 125-145; Heiner Lück, Dr. iur. F. M. (1899-1949) als Erforscher und Editor des Magdeburger Rechts, in: Sachsen-Anhalt. Jb. der Historischen Kommission für Sachsen-Anhalt, Bd. 22, 1999/2000, 289-314.
Archivalien: StadtA Magdeburg: Dokumente; Familienunterlagen Anne-Leonore Sörnsen, geb. M. (privat).
Bildquelle: *StadtA Magdeburg.
Manfred Wille
letzte Änderung: 30.03.2004