Loewe, Friedrich Wilhelm, Dr. med.
geb. 14.11.1814 Olvenstedt bei Magdeburg,
gest. 02.11.1886 Meran/Tirol, Arzt,
Politiker, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung.

Seine Ausbildung erhielt L. zunächst in Magdeburg am Domgymnasium und an der Medizinisch-chirurgischen Lehranstalt, die er als Wundarzt abschloß. Nach einem dreijährigen Dienst als Kompaniechirurg in Minden studierte er in Halle Medizin und promovierte dort. 1840 kam L. in die preußische Kreisstadt Calbe an der Saale. Als praktischer Arzt war er hier ab 1842 tätig, befaßte sich zunächst mit der Verbesserung der gesundheitlichen Verhältnisse und stieß dabei bald auf soziale Probleme sowie an die Grenzen des obrigkeitlichen Staates. L. engagierte sich im Vereinswesen der Stadt und stand schnell an der Spitze von Bürger- und Volksversammlungen sowie Vereinen, die liberale und demokratische Rechte und Freiheiten in Preußen einforderten. Er war bereits im Vormärz ein bekannter “Freisinniger” in der “Demokratenstadt” Calbe. Politisch ging er in seiner Haltung in verschiedener Hinsicht über liberale Anschauungen hinaus und vertrat mindestens zeitweise auf verschiedenen Gebieten auch demokratische Ansichten. Nach Beginn der Revolution wurde L. zum Kommandeur der “Communal-Garde” genannten Bürgerwehr in Calbe gewählt. Im Wahlkreis Calbe/südlicher Teil des Kreises Jerichow II wurde L. im Mai 1848 zum Abgeordneten der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt/Main bestimmt. In Frankfurt gehörte L. zur Fraktion “Deutscher Hof”, später “Nürnberger Hof” und war Schriftführer im Finanzausschuß des Parlaments. Ursprünglich republikanischen Ideen zugeneigt, stimmte L. im März 1849 als Abgeordneter für das Erbkaisertum des preußischen Königs. Er war auch Mitglied der Kaiserdeputation, die den König von Preußen Anfang April 1849 aufgefordert hatte, die Kaiserkrone anzunehmen. Als Preußen seine Abgeordneten Mitte Mai 1849 aus der Frankfurter Nationalversammlung zurückzog, verweigerte sich L. Nach der Verlegung des Restes der deutschen Nationalversammlung von Frankfurt nach Stuttgart (“Rumpfparlament”) wurde L. am 06.06.1849 zum Präsidenten des Parlamentes gewählt. Das Stuttgarter Rumpfparlament wurde durch die württembergische Regierung am 18.06.1849 gewaltsam aufgelöst. Um drohender Verfolgung nach der Niederlage der Revolution zu entgehen, sah sich L. gezwungen, ins Exil zu gehen. Am 19.09.1851 hatte ihn das Magdeburger Schwurgericht in Abwesenheit zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt. L. wandte sich zunächst in die Schweiz. Nach seiner Ausweisung kam er 1852 nach England, um 1853 in die USA zu gehen. In New York wirkte er als Arzt. 1861 konnte L. wieder nach Preußen zurückkehren, trat der im gleichen Jahr gegründeten liberalen Fortschrittspartei bei und wurde bald einer ihrer führenden Vertreter. Seit 1862 gehörte er dem Zentralkomitee der Partei an. Im Wahlkreis Bochum-Dortmund wurde L. 1863 zum Abgeordneten des Preußischen Abgeordnetenhauses gewählt, als dessen 1. Vizepräsident er zeitweilig fungierte. 1866 war der mittlerweile in Berlin ansässige L. auch Abgeordneter des Norddeutschen Reichstages für die Fortschrittspartei geworden. Nach Gründung der Nationalliberalen Partei trat L. in diese ein. 1873 wurde er wieder im Wahlkreis Calbe-Aschersleben in den Reichstag gewählt, verlor 1881 seinen Sitz im Reichstag, blieb aber weiterhin Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses. 1884 schied L. aus Gesundheitsgründen aus der politischen Tätigkeit aus. Er zog sich nach Meran zurück, wo er verstarb. Beigesetzt wurde er in Berlin.

Literatur: Bernd Haunfelder, Biographisches Hdb. für das Preußische Abgeordnetenhaus 1849–1867, 1994, 62; Heinrich Best/Wilhelm Weege, Biographisches Hdb. der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, 1996, 225f.

Bildquelle: *Fotoarchiv Karl-Heinz Wurbs, Calbe (privat).

Mathias Tullner

letzte Änderung: 28.02.2005