Siegfried, Karl (Carl) Gustav Adolf, Dr. theol. et Dr. phil.
geb. 22.01.1830 Magdeburg,
gest. 09.01.1903 Jena,
evangelischer Theologe, Hochschullehrer.

S., ältester Sohn des Baurats Karl Wilhelm S., besuchte bis 1849 das Magdeburger Domgymnasium und studierte anschließend evangelische Theologie und Philologie in Halle und Bonn. 1856 wurde er Lehrer am Gymnasium des Klosters Unser Lieben Frauen in Magdeburg, 1858 in Guben und 1860 wieder in Magdeburg, nun am Domgymnasium. 1859 war er in Halle zum Dr. phil. promoviert worden. 1865 ging er als Gymnasialprofessor und zweiter Geistlicher an die Landesschule Pforta bei Naumburg. Von dort wurde er 1875 als ordentlicher Professor für Altes Testament an die Theologische Fakultät der Universität Jena berufen, wobei ihm diese zugleich die Ehrendoktorwürde verlieh. Infolge schwerer Erkrankungen mußte er 1901 von seinen Verpflichtungen entbunden werden. 1885 wurde er zum Großherzoglichen Sächsischen Kirchenrat, 1892 zum Geheimen Kirchenrat ernannt. Als Gelehrter gehörte er zu den namhaften Vertretern der gegen Ende des 19. Jahrhunderts in eine neue Phase getretenen historisch-kritischen Forschung am Alten Testament. So verfaßte er Kommentare zu mehreren alttestamentlichen Büchern, die sich besonders durch gründliche philologische Arbeit auszeichneten. Auf diesem Gebiet hat er Bedeutendes geleistet. Zusammen mit je einem Fachkollegen verfaßte er ein vielbenutztes hebräisches Lexikon zum Alten Testament und eine neuhebräische, das heißt der mittelalterlichen Sprachstufe des Hebräischen gewidmete Grammatik, letztere ein wichtiger Beitrag zur Judaistik. Sein besonderes Interesse galt darüber hinaus dem hellenistischen Judentum der nachalttestamentlichen Zeit und der Auslegung des Alten Testaments bei Juden und Christen bis in die Neuzeit. Grundlegend für die weitere Forschung waren hier vor allem seine Untersuchungen zu den Schriften des hellenistisch-jüdischen Philosophen Philo von Alexandria. Neben zahlreichen Aufsätzen und Artikeln, u. a. für die ADB, hat er eine Vielzahl von Rezensionen und Literaturberichten verfaßt. Zu vermerken ist schließlich, daß er auch an der Goethe-Forschung beteiligt war.

Werke: Spinoza als Kritiker und Ausleger des Alten Testaments, 1867; Philo von Alexandria als Ausleger des Alten Testaments, 1875 (Repr. 1970); Lehrbuch der neuhebräischen Sprache und Litteratur, 1884 (mit H. L. Strack); Hebräisches Wörterbuch zum Alten Testament, 1893 (mit B. Stade). – Kommentare: Prediger und Hoheslied, 1898; Esra, Nehemia, Esther, 1901; (Hg.) Briefwechel zwischen Goethe und V. Diez, in: Goethe-Jb. 1, 1890, 24–41.

Literatur: RE 18, 31906, 320–323; BBKL 10, 173–232 (W); Ecce der Königlichen Landesschule Pforta, 1903; Karl Heussi, Geschichte der Theologischen Fakultät zu Jena, 1954, 314–316.

Joachim Conrad