Kuntze, Gustav
geb. 11.12.1896 Schönebeck,
gest. 05.10.1964 Schönebeck,
Krankenkassenangestellter.

In einer Arbeiterfamilie mit acht Geschwistern aufgewachsen, absolvierte K. nach dem Besuch der Volksschule eine Lehre in einem Rechtsanwaltsbüro. Ab 1914 erfolgten Ausbildung (Ablegung der A- und B-Prüfung) und Tätigkeit in der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Schönebeck. Bereits in der Weimarer Republik unterstützte er aktiv Konzepte führender Sozialdemokraten für die Gestaltung eines einheitlichen Sozialversicherungssystems. K. war ab 1919 Mitglied der SPD sowie ehrenamtlicher Stadtverordneter (1924–33) und erster Vorsitzender des Reichsbanners Schwarz Rot Gold (1926–33). Er gehörte ab 1931 als Mitbegründer der Eisernen Front an. Als langjähriger Geschäftsführer der AOK Schönebeck wurde er von den Nationalsozialisten 1933 fristlos entlassen. Als in der Gestapo-Kartei geführter Marxist und Staatsfeind war er Haussuchungen, Verfolgungen und mehrmaligen Verhaftungen ausgesetzt. Am 25.04.1945 wurde er vom amerikanischen Stadtkommandanten als Antifaschist wieder als Geschäftsführer der AOK eingesetzt. In der Sowjetischen Besatzungszone wurde die 1945 vom Alliierten Kontrollrat getroffene Entscheidung, für ganz Deutschland eine einheitliche Sozialversicherung einzuführen, befolgt. In den fünf Ländern wurden Sozialversicherungsanstalten (SVA) mit Sozialversicherungskassen (SVK) gebildet. Für die 43 SVK der SVA Sachsen-Anhalt wurde durch Weisung dieser SVA in der SVK Schönebeck unter Leitung von K. eine “Musterkasse” als Modell für die praktizierte Einheit von Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung sowie die optimale und effektive soziale Betreuung der Versicherten eingerichtet. Der Befehl 28 der Sowjetischen Militär- Administration Deutschlands (SMAD) vom 28.01.1947 unterstellte die Sozialversicherung später dem FDGB. Seine 1952 geäußerten Zweifel an Hegemonieansprüchen der “Partei neuen Typus”, am forcierten “Aufbau des Sozialismus” sowie über Sparmaßnahmen, angeordnete Zwangsmaßnahmen zur Beitreibung von Beitragsrückständen in kleinen und mittleren Betrieben und Einschränkungen bei der Gewährung von Geld- und Sachleistungen im Krankheitsfall der Versicherten führten bald zum Vorwurf, unzufriedener Abweichler, Versöhnler und Opponent zu sein. Am 15.03.1953 wurde K. als Geschäftsführer der SVK in Schönebeck fristlos entlassen. Vorübergehend wurde er durch die “örtlichen Organe” zur Arbeit in einem Produktionsbetrieb verpflichtet. Ab 1954 bis zu seinem Tode führte er – wie schon ab 1935 – wieder ein Tabakgeschäft in Schönebeck.

Literatur: Günter Kuntze, Juden in Schönebeck, 1990, 42, 47, 50f., 70, 76, 80f., 83; ders., Unter aufgehobenen Rechten, 1992, 24, 27f., 31, 44, 46–49, 54, 61, 66–68, 89.

Bildquelle: *Günter Kuntze, Jägerhof (privat).

Günter Kuntze

letzte Änderung: 10.02.2005