Hammer, Detlef, Dr. jur.
geb. 02.04.1950 Gersdorf/Kreis Hohenstein-Ernstthal,
gest. 03.04.1991 Magdeburg,
Jurist, Konsistorialpräsident.

Aufgewachsen im Erzgebirge in einer kirchlich nicht integrierten Familie, machte er 1969 neben dem Abitur zugleich einen Facharbeiterabschluß als Elektrofacharbeiter. Schon 1969 gründete er eine Familie (zwei Töchter). 1969–73 studierte er an der Universität in Halle Wirtschaftsrecht. Bereits während des Studiums begann er 1970 seine geheime Informationstätigkeit für die DDR-Staatssicherheit (MfS, Führung durch die Bezirksverwaltung Halle bis Ende 1989) und damit seine Doppelexistenz. An Veranstaltungen der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) nahm er teil und knüpfte dort Freundschaften. Von der ESG in die Provinzialsynode der Kirchenprovinz Sachsen delegiert, fiel er dort als Jurastudent auf. Das Angebot des Konsistoriums, künftig in der Kirche zu arbeiten, nahm H. (in Abstimmung mit dem MfS!) an. Nach kurzer Tätigkeit am Vertragsgericht in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) wurde er 1974 zunächst Wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann Konsistorialrat in Magdeburg. 1981 zum Oberkonsistorialrat berufen, wurde H. durch Fürsprache der evangelischer Kirche seit 1982 auch eine außerordentliche Aspirantur an der Sektion Rechtswissenschaften der Humboldt- Universität Berlin gewährt. 1988 promovierte er mit der Dissertation “Studie zur Regelung der Stiftung in der DDR auf der Grundlage des Zivilgesetzbuches” (bisher nicht gedruckt) zum Dr. jur. Im April 1989 berief die Kirchenleitung der Kirchenprovinz Sachsen H. zum Konsistorialpräsidenten (Dienstbeginn ab 01.05.1990). Diese Funktion trat H. somit nach der friedlichen Revolution in der DDR an. Am 03.04.1991 wurde er in seiner Wohnung tot aufgefunden. Da die Obduktion nicht gerichtsmedizinische betreut wurde, blieben die Untersuchungen unvollständig. Die Todesursache (Suizid? Herzversagen? Mord?) ist bis heute ungeklärt. Erst seit August 1991 ist bekannt, daß H. seit 1977 hauptamtlich im Dienst des MfS  stand, zuletzt als “Offizier im besonderen Einsatz” (OibE) im Rang eines Majors (Deckname “Günter”). Akten des MfS /BV Halle sind bis 1977 erhalten, seitdem zum größeren Teil unauffindbar (vernichtet?). In seiner kirchlichen Funktion war H. zuständig für Rechtsfragen kirchlicher Ausbildung, der ökumenischen Kontakte und insbesondere für die Rechtsberatung diakonischer Einrichtungen. Sein juristischer Rat und seine unkonventionelle pragmatische Einsatzbereitschaft wurden geschätzt. Darüber hinaus hat er persönlich, aber im Einvernehmen mit seiner Dienststelle, ausreisewillige DDR-Bürger juristisch, auch hinsichtlich ihrer Vermögensfragen, beraten. Für die Partnerschaftsarbeit mit den westdeutschen Partnerkirchen der Kirchenprovinz Sachsen baute er enge Kontakte auf. Bis über seinen Tod hinaus war in der Kirchenleitung kein Mißtrauen gegenüber seiner Person entstanden. In welchem Maß er als Spion dem MfS nützlich wurde, ist nur z. T. erkennbar. Umfassend hat er über interne kirchliche Verhandlungen nach der Selbstverbrennung von Pfarrer Oskar Brüsewitz, ähnlich offenbar auch über die Arbeit des Jugenddiakons Lothar Rochau berichtet. Das Doppelleben des Spions H. hat in den Kirchen zur Zeit der DDR keine wirklich vergleichbare Parallele. Die Enthüllung seines Doppellebens löste in der Kirche tiefste Betroffenheit aus.

Literatur: Harald Schultze/Waltraut Zachhuber, Spionage gegen eine Kirchenleitung. D. H. – Stasi-Offizier im Konsistorium Magdeburg, 1994.

Harald Schultze