Herrmann,
Johann Georg Wilhelm,
Prof., Lic. theol., Dr. phil. h.c., Dr. theol. h.c. |
H., Sohn eines pietistisch-orthodox gerichteten Pfarrers, verlor als Kind durch einen Steinwurf die Sehkraft des rechten Auges. Er besuchte das Gymnasium in Stendal, studierte ab Herbst 1866 in Halle evangelische Theologie und widmete sich nebenbei philosophischen Studien. Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 diente er als Freiwilliger. Als Kandidat der Theologie war H. zunächst in Unseburg und Halle, sodann 1874–76 als Religionslehrer am Stadtgymnasium in Halle tätig, promovierte an der dortigen Universität 1875 zum Lizentiaten und habilitierte sich mit einer Arbeit über Gregor von Nyssa. 1879 bis 1917 hatte H. eine ordentliche Professur für Systematische Theologie an der Universität Marburg inne, die ihm 1880 die philosophische und theologische Ehrendoktorwürde verlieh. Er war zudem Gastdozent an den Universitäten in Heidelberg, Göttingen, Halle und Uppsala. H., der sich eng an die theologische Lehre Albrecht Ritschls anschloß und diese eigenständig weiterbildete, galt als streitbarer Theologe, der sich aktiv und kompromißlos in die zeitgenössischen Diskussionen um methodische und erkenntnistheoretische Fragen der evangelischen Glaubenslehre einbrachte. Seine gegen die überkommene spekulative Theologie gerichtete, auf Erfahrungswissen fußende Auffassung der Geschichte als systematischem Ort der Religion fand weite Beachtung und beeinflußte Dialektiker wie Karl Barth und Rudolf Bultmann.
Werke: Die Metaphysik in der Theologie, 1876; Die Religion im Verhältnis zum Welterkennen und zur Sittlichkeit, 1879; Der Verkehr des Christen mit Gott, 1886, 71921; Ethik, 1901, 61921; Friedrich Wilhelm Schmidt (Hg.), Gesammelte Aufsätze, 1923 (W).
Literatur: NDB 8, 691f.; DBJ 4, 96–104; BBKL 2, Sp. 771–773 (L); Ingeborg Schnack (Hg.), Lebensbilder aus Kurhessen und Waldeck 1830–1930, Bd. 3, 1942, 196–205; Volker Brecht, Die Christologie W. H.s, Diss. München 1975; Michael Beintker, Die Gottesfrage in der Theologie W. H.s, 1976.
Günter Heine
letzte Änderung: 09.02.2005