Jeske, Erich Julius, Dr. med.
geb. 19.03.1888 Jutroschin/Posen,
gest. 03.10.1956 Magdeburg,
Arzt, Kreisarzt, Obermedizinalrat.

Nach dem Abitur 1905 am Gymnasium Jutroschin studierte J. Medizin in Breslau und Greifswald, bestand das Staatsexamen in Breslau und promovierte dort 1911. Von 1910 bis 1912 war J. Assistenzarzt in Breslau und Falkenhagen, 1912–14 fuhr er als Schiffsarzt auf der Hamburg-Amerika-Linie. 1914 meldete sich J. als Kriegsfreiwilliger, erhielt das Eiserne Kreuz I und wurde 1918 schwer verwundet. Nach der Demobilisierung wirkte er 1919 am Hygiene-Institut in Posen und legte dort im selben Jahr die Kreisarztprüfung ab. Anschließend besetzte J. Kreisarztstellen in Kattowitz, Königshütte, Breslau und Wolmirstedt. Zum 01.10.1930 wurde er als der tüchtigste und fähigste Kreisarzt des Regierungsbezirks Magdeburg eingeschätzt. Er wurde Kreismedizinalrat in Magdeburg und war dort von 1935 bis 1946 als Amtsarzt Leiter des Gesundheitsamtes. Seit 1934 beteiligte sich J. als Mitglied des nationalsozialistischen Erbgesundheitsgerichtes in Magdeburg an der Durchsetzung von Zwangssterilisationen, wurde 1937 Mitglied der NSDAP und arbeitete als Leiter der Beratungsstelle für Sippenforschung im NSDAP-Gauamt für Volksgesundheit mit. 1940 wurde ihm der Titel eines Obermedizinalrates verliehen. Dennoch wurde J. nach dem II. Weltkrieg im Rahmen der Entnazifizierungsmaßnahmen nicht als Belasteter eingestuft und konnte seit 1946 in eigener Praxis wieder in Magdeburg arbeiten. Er genoß das Vertrauen der niedergelassenen Ärzte seines ehemaligen Amtsbereiches und wurde 1953 zum Vorstandsmitglied der Gewerkschaftsgruppe Ärzte Magdeburg im FDGB gewählt. 1954 übernahm er die Leitung der Honorar-Abrechnungsstelle Ärzte für den Bezirk Magdeburg und wurde schließlich Vorsitzender der Kommission Ärzte im FDGB-Bezirksvorstand Magdeburg. Er starb während einer Diskussionsrede auf einer Sitzung des Zentralvorstandes der Gewerkschaft Gesundheitswesen. J. verstand es in der Zeit des Nationalsozialismus, sich von radikalen Maßnahmen gegen politisch und rassistisch verdächtige Kollegen geschickt zu distanzieren und war wegen seines fundierten Fachwissens als Amtsarzt sehr geachtet. Darauf basierte sein berufspolitisches Comeback, das ihm die auf die Gewinnung der Ärzte abzielende Politik des FDGB ermöglichte. Die dort sich organisierenden niedergelassenen Ärzte brachten J. Vertrauen entgegen, das er als Vorsitzender des Honorarprüfungs- Ausschusses und der Abrechungsstelle (gegenüber der Sozialversicherung) nicht enttäuschte.

Literatur: Nachruf der Gewerkschaft Gesundheitswesen, Abrechungsstelle für den Bezirk Magdeburg, vom 03.10.1956. 

Archivalien: LHASA: Rep. C 28 I g Nr. 81 (PA).

Horst-Peter Wolff